Der Ex-Jihadist im Nadelstreifenanzug: Wohin steuert Sharaa Syrien – ein Jahr nach Asads Sturz?
Shownotes
Vor einem Jahr vertrieb der Chef der HTS-Miliz, Ahmed al-Sharaa, den Diktator Asad aus Syrien. Dass Sharaa seine Herrschaft habe sichern können, sei bemerkenswert angesichts der Spannungen im Land und in der Region, sagt der Nahostexperte Daniel Gerlach.
Heutiger Gast: Daniel Gerlach, Nahostexperte Host: Marlen Oehler
Daniel Gerlachs Buch über Asads Herrschaft findet Ihr hier.
Ganz neu ist Daniels Buch über Deals, Friedensverhandlungen und Geheimdiplomatie im Nahen Osten.
Über seine Rückkehr nach Syrien hat Daniel einen Film gedreht.
«NZZ Pro» bietet vertiefte Analysen und umfassende Einordnungen zu den geopolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen
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00:00:15: Es fühlt sich an als sei ganz Syrien auf den Straß.
00:00:22: Die Menschen jubeln und singen.
00:00:25: Fahnen werden geschwungen und Feuerwerk gezündet.
00:00:29: Tausende Syrerinnen und Syrer strömen am achten Dezember auf die Plätze der syrischen Städte Damascus, Homs, Aleppo oder Idlib.
00:00:38: Viele haben sich die syrische Flacke aufs Gesicht gemalt.
00:00:41: Man hört Sprechköre und arabische Musik.
00:00:53: Gefeiert wird der Sturz von Diktator Bashar al-Assad vor einem Jahr.
00:00:58: Die Feierlichkeiten beginnen schon in den frühen Morgenstunden.
00:01:07: Der neue Machthaber in Syrien, Ahmed Al-Sharah, höchstpersönlich rief in den frühen Morgenstunden zum Gebet in der prächtigen Omajad-Murschi.
00:01:18: Später am Abend lauschen die Menschen auf den Plätzen über große Leinwände der Rede von Al-Sharah direkt aus dem Volkspalast, aus dem Präsidentensitz.
00:01:32: In seiner Rede verspricht er dem Volk, Syrien in Würde wieder aufzubauen.
00:01:37: Er spricht von einem neuen Morgen für Syrien und er werde das Land stark und gerecht wieder aufbauen.
00:01:44: Ein Syrien, in dem es Gerechtigkeit gebe für alle.
00:01:48: Das Publikum im Saal und die Menschen auf den Plätzen applaudieren frenetisch.
00:01:55: Wenn man diese Bilder anschaut, dieser Jubel, dieser Freude, So ein leichtes Zweifel hat mich dann doch beschlichen.
00:02:02: Das war ja, weiß Gott, kein einfaches Jahr für Syrien in diesen ersten zwölfen Monaten nach dem Sturzassatz.
00:02:09: Daniel.
00:02:11: Ja, dieses erste Jahr hätte viel, viel schlimmer ausgehen können.
00:02:14: Und zwar für viele Menschen in Syrien.
00:02:16: Das Land hätte es in einem dauerhaften Bürgerkrieg versinken können und das ist bisher nicht geschehen.
00:02:21: Und das ist Grund zur Freude, auch wenn die Freude manchmal ja fast so ein sich wechselseitiges Beteuern.
00:02:28: Es ist hoffentlich passiert, es ist ein Beschwören der guten und der bösen Geister, wenn man auf die Straßen zieht und den Sturz des Assatzregimes und das neue Syrien feiert.
00:02:37: Für mich ist das kein Ausdruck dafür, dass es Syrien gut geht, aber das letzte Jahr hätte ganz anders ablaufen können und insofern gibt es Grund für einen verhaltenen Optimismus.
00:02:49: Das ist NCZ Geopolitik, das große Ganze verstehen.
00:02:54: Mein Name ist Marlin Öhler.
00:02:56: Und heute schaue ich mit dem Naostexperten Daniel Gerlach an, wo Syrien steht, ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes.
00:03:04: Angesichts der gewaltigen, innen- und geopolitischen Spannungsfelder erstaunlich gut.
00:03:09: Aber wohin er das Land wirklich steuert, die Frage habe ich als Charabis her nicht beantwortet.
00:03:16: Hallo Daniel, ich grüße dich nach Berlin.
00:03:18: Ja, hallo Marlin, hallo nach Zürich.
00:03:21: Daniel, ich würde gerne mit einer persönlichen Erinnerung beginnen.
00:03:27: Und zwar bei den verstaubten Glasvitrinen in einem Museum in Aleppo, in denen irgendwelche uralte neolitische Scherbenlagen beschriftet mit ganz vergilbten schreibmaschinengetippten Zetteln.
00:03:42: Da sind wir uns begegnet.
00:03:44: Erinnerst du dich?
00:03:45: Ja, sehr gut.
00:03:46: Das müsste beides in den letzten Jahren.
00:03:52: Das Museum war so schrecklich langweilig, dass wir uns in die Altstadt von Aleppo in ein Café gesetzt haben und über Syrien dieses unglaubliche Landsprachen.
00:04:02: Ja, das war auch meine, wenn ich mich recht erinnere, erste Syrienreise.
00:04:08: Diese Syrienreise war tatsächlich Man würde sagen, eine Formative Experience.
00:04:12: Das war eine Begegnung mit einem nahen Osten, einem Orient, einer Kultur, die mich sehr geprägt hat.
00:04:19: Und ich bin dorthin auch immer wieder danach zurückgekehrt.
00:04:21: Und dort haben wir uns kennengelernt.
00:04:23: Ja, net hat.
00:04:24: Da war noch Hafiz al-Assad am Ruder, aber nur noch ein Jahr.
00:04:29: Ich glaube, ein Jahr später dann übernahm so ein Basha al-Assad.
00:04:32: Das war tatsächlich noch so ein richtiges autoritäres, diktatorisch Syrien von Hafsal Assad.
00:04:38: Und Hafsal Assad ist ja dann einfach ein Jahr später gestorben.
00:04:41: Es war noch eine Zeit, in der man keine Coca-Cola in Syrien bekam und einfach bestimmte Dinge grundsätzlich anders liefen in diesem Land.
00:04:49: Syrien hat sich verändert.
00:04:51: Man hoffte, es würde sich nach dem Tod von Hafsal Assad.
00:04:54: verändern.
00:04:55: Man hoffte, dass der junge Bashar al-Assad das Land in eine neue Zeit überführen würde.
00:05:00: Das hat er auch versprochen und diese Hoffnungen sind gescheitert und enttäuscht worden.
00:05:04: Genau, du bist das von erwähnt Zikmal dann in dieses Asad Syrien gereist, für deine Forschung als Journalist als Autor.
00:05:12: Du hast auch ein Buch geschrieben über die Herrschaft der Assads.
00:05:15: Ich packe euch den Link in die Show notes, wer das nachschauen möchte.
00:05:19: Und dann kam der Bürgerkrieg, Da wurde es schwierig, nach Syrien zu reisen
00:05:26: für dich.
00:05:27: Ja, also ich bin tatsächlich während des Krieges noch in Syrien gewesen.
00:05:31: Das war eine dramatische Erfahrung, als ich Damaskus dann verlassen habe.
00:05:36: Ich wurde dann später auf eine schwarze Liste des syrischen Militärgeheimdienstes gesetzt.
00:05:41: Also ich weiß nicht mehr genau, in welchem Jahr das gewesen ist, aber ich hatte tatsächlich nur ein Reiseverbot nach Syrien.
00:05:47: Aber ich hatte in dieser Zeit gemeinsam mit einem Freund und Kollegen, einem deutsch-syrischen Verfassungsrechtler, Nassif Naim, Kontakt, der insbesondere in die allerwitische Community in Syrien, also die Volksgemeinschaft, aus der die Assads kam.
00:06:02: Und ich habe in den Tagen vor dem Zusammenbruch des Regimes tagtäglich mehrfach mit Menschen in Damaskus und in Tattoos, als im Regimegebiet gesprochen, Menschen aus der Community von Assad, die gegen Assad waren, aber die trotzdem natürlich große Angst haben mussten vor dem, was da kommt.
00:06:19: Und ich war relativ erstaunt darüber, wie relaxed die eigentlich waren.
00:06:22: Und man merkte diesen Menschen schon an, dass was hinter ihnen liegt.
00:06:26: Das war so furchtbar und so abscheulich, dass sie eigentlich mit allem Zufrieden zu sein schien, was da nachkommen würde.
00:06:33: Also die Abscheu vor der Vergangenheit war größer als die Angst vor der Zukunft.
00:06:38: Und das ist etwas, was man sich heute auch immer wieder in Erinnerungen rufen muss.
00:06:42: Und dann kam sie die Zukunft, also Ende, zwanzigvier und zwanzig kam die überraschende Wende, die HTS Rebellen von Al-Sharah stürzten in einer schnellen Offensive, das Assad-Regime innerhalb weniger Tage von Aleppo, dann Hammerhomes schließlich Damaskus, machten.
00:07:00: Dezember vor einem Jahr flüchtete Bashar al-Assad Hals über Kopf nach Moskau.
00:07:08: Und seinen Sieg verkündete Al-Sharah in Militäruniform.
00:07:12: in der großen Omarjaden-Moschem-Herzen von Damascus.
00:07:16: Er erklärt Syrien für frei und erklärt, er werde die Macht friedlich übernehmen.
00:07:25: Was ging dir durch den Kopf, als du das gesehen
00:07:27: hast?
00:07:29: Ich bin ja Historiker.
00:07:31: Islamwissenschaftler und sehen natürlich die historischen Referenzen, wenn niemand so auftritt.
00:07:36: Also Ashadah ist ja ein Mensch, der historisch auch denkt und heilsgeschichtlich denkt.
00:07:41: Das heißt, das, was er tut, ist auch Teil eines großen Plans.
00:07:46: Und auf der einen Seite müssen diese Menschen selber völlig überrascht gewesen sein, über deren Erfolg, den sie dann auch in ihrem Interesse zu nutzen mussten.
00:07:54: Aber sich diese Gelegenheiten so boten.
00:07:56: Auf der anderen Seite müssen sie es aber auch als Beweis dafür gefunden haben, dass dass Gott mit den Standhaften ist.
00:08:02: Das ist ein wichtiger, wichtiger, koranischer Spruch.
00:08:06: Die gläubige
00:08:07: Komponente.
00:08:08: Ich
00:08:08: glaube, das war für die Vertreter von HTS und für Ashada der Moment, wo das bewiesen wurde.
00:08:13: Und als er sich dann in die Umayaden Moschee gestellt hat, die du auch besucht hast, das ist das Schwerkraftzentrum Syriens.
00:08:22: Da läuft die Geschichte Syriens zusammen in all ihren Facetten.
00:08:27: Und dass er aus der Umayaden Moschee seinen Sieg verkündet hat.
00:08:31: Das hat nicht nur damit zu tun, dass er natürlich die islamische, sunnitische Herrschaft dokumentieren wollte oder zeigen wollte, die jetzt dann ansteht, sondern hat auch damit zu tun, dass er sich in einer Reihe sieht von den vielen historischen Eroberern.
00:08:45: und Machthabern, die in Damascus einzugehalten haben.
00:08:48: Seit der Antike über die islamische Geschichte bis zu den Osmanen, zu den französischen Mandatsern Assad und dann eher jetzt.
00:08:56: Also ich denke mal, die Vorstellung, dass er hier ein heißgeschichtliches Projekt erfüllt, die war schon sehr, sehr groß.
00:09:02: Und daran habe ich natürlich in dem Moment auch gedacht, als er da aufgetreten ist in der Umayyaden-Moschee.
00:09:17: Wollten wir jetzt anschauen, was aus diesem Heilsversprechen, wo Syrien steht, jetzt ein Jahr später.
00:09:27: Du bist kurz nach dem Sturz, ich glaube, ein Monat später bist du nach Syrien gereist für ein Dokumentarfilm.
00:09:35: Was war denn da deine ersten Eindrücke?
00:09:37: Jetzt mal bildlich gesprochen.
00:09:40: Für mich persönlich waren natürlich die ersten Eindrücke, erst mal die Menschen wiederzusehen, mit denen ich jahrelang gearbeitet hatte und die ich in Syrien nicht besuchen konnte.
00:09:47: Deswegen war es mir so wichtig, nach Sueda in den Süden zu fahren, an die Küste, nach Damaskus und nach Aleppo überall, wo diese Menschen leben.
00:09:55: Syrien ist ein Land der Widersprüche und ist es auch jetzt.
00:09:58: Es gibt bestimmte Orte, bestimmte Stadtteile, auch in Damaskus, die völlig unfallseert sind und die ihren alten Scham und ihren alten Glanz haben.
00:10:06: Beispielsweise gegenen wie an der so genannten Victoria Brücke, wo man wirklich das Gefühl hat, die ist die Zeit stehen geblieben.
00:10:13: Da sieht es so aus wie, als du und ich uns in den Neunzehn- und Neunzehn-Sypheren kennengelernt haben.
00:10:17: Da hat sich nichts verändert.
00:10:18: Nicht die Kleidung der Menschen, nicht die Schaufenster der Geschäfte, nicht die Atmosphäre auf den Straßen.
00:10:23: Zum Teil sind es sogar noch dieselben Autos.
00:10:24: Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass Menschen mit Smartphones rumlaufen.
00:10:28: Dann gibt es Landesteile.
00:10:29: Und zwar unmittelbar, wenn man aus der Altstadt von Damascus rausfährt, sieht man die schon.
00:10:34: die sind vollkommen zerstört.
00:10:37: Besonders prägend war für mich eine Überlandfahrt von der Küstenregion bis nach Aleppo, wo man durch die sehr fruchtbaren Ebenen von Al-Rab und dem Grenzgebiet zwischen der Provinz Idlib und der Provinz Hama fährt.
00:10:54: Je weiter man dann nach Norden kommt, da sieht man wirklich Ortschaften, da steht kein Stein mehr auf dem anderen.
00:11:00: Die Bausubstanz entteilen insbesondere der ärmeren Vierteln von Südenes zerstört.
00:11:05: Und das war ja auch einer der Aspekte in diesem Krieg.
00:11:08: Die Aufstände fanden ja dezentral in verschiedenen Städten statt und insbesondere in den armen, sunnitischen Vierteln.
00:11:15: Den sogenannten Mokhalafat, also die Gegenden, wo auch illegal zum Teil also nicht von der Regierung genehmigt gebaut wurde.
00:11:22: In diesen Vierteln haben sich die Aufständischen versammelt und für das Regime war das Teil einer Kollektivbestrafung, diese Viertel komplett zu zerstören.
00:11:31: Man kann an der Zerstörung des Landes die Konfliktlinien sehen und auch eine gewisse Kriegsiografie eigentlich ausmachen.
00:11:37: Was da passiert, es war keine willkürliche Zerstörung, sondern die Viertel und Städte, die man als nicht loyal betrachtet hat, wurden gezielt zerstört.
00:11:45: Und die Infrastruktur und die Wirtschaft, aber das kann man sicher sagen, ganz allgemein fürs Land, die sind am Boden.
00:11:51: Da hat auch ein Jahr Al-Sharada noch nicht so viel verändern können.
00:11:57: Die Wiederaufbau hat ja noch nicht stattgefunden.
00:11:59: Was stattgefunden hat, es sind viele Absichtsbekundungen, viele Analysen gemacht und hat auch festgestellt, dass nicht nur die Energieversorgung, sondern das gesamte Energienetz ist zerstört, dismantled.
00:12:11: Das heißt also, es wurden... Leitungen abgebaut, Leitungen gestohlen, um Kupfer zu verwerten.
00:12:16: Die Kriegsökonomie hat dazu geführt, dass alles verwertet und alles gestohlen wurde.
00:12:21: Und die Summen, die man da investieren muss, um das ganze System aufzubauen, um erst auf den Vorkriegszustand zurückzubringen, der ja auch schon sehr veraltet war.
00:12:30: Die sind so gigantisch, dass derzeit eigentlich alle sich fragen, wie das eigentlich umgesetzt werden soll.
00:12:35: Das bedeutet aber nicht, dass es nicht möglich ist, denn die Syrer wiederum sind sehr einfallsreich und auch sehr pragmatisch.
00:12:42: wenn man lokal die Menschen dabei unterstützt, wieder aufwärts zu betreiben, dann kriegen die das auch hin.
00:12:46: Aber die Investitionen, die großen Infrastrukturprojekte, da hofft man jetzt, dass die Saudis und die Goldstaaten und die Europäer, können wir gleich noch darüber sprechen, da investieren.
00:12:55: Aber diese Investitionen haben wir sehr nicht dort gefunden.
00:12:58: Aber es ist ganz klar, es braucht Hilfe von außen, aber dafür braucht es auch Vertrauen.
00:13:03: Ja.
00:13:04: Und diese neue Führung in Syrien, Al-Sharah, Ein sunnitischer Islamist, was es erwähnt, auch auf der Terrorliste lange Zeit, ist als Schraddienader der richtige Mann eben auch, vor allem um dieses Vertrauen aufzubauen für Syrien.
00:13:21: Na ja, er ist insofern der richtige Mann, weil er der Mann ist, der da ist.
00:13:24: Es gibt keinen anderen.
00:13:25: Okay, dann sag ich so, ist er diese herkulisse Aufgabe gewachsen, sagen wir mal, mit diesem Background und eben Unvertrauen zu schaffen?
00:13:33: Nein, aber auch hier widerfährt ihm das Glück des Tüchtigen.
00:13:38: Er alleine bzw.
00:13:39: mit der Truppe von Loyalisten aus Idlib ist dazu nicht in der Lage.
00:13:43: Und man sieht ja sehr genau, dass Leute in Funktionen da gebracht wurden, die allein auf ihrer konfessionellen und politischen Loyalität zum Regime dort platziert wurden.
00:13:52: Syrien hat, auch wenn es eine sehr aufgeblasene öffentliche Sektor, eine wirklich sehr ineffiziente Verwaltung war, auch sehr korrupt, hat Syrien trotzdem staatliche Institutionen.
00:14:01: Und was dieses neue Regime gemacht hat, ist, dass es aus Angst davor, dass es Widerstände geben würde und dass letztendlich die eigene Kontrolle verloren geht, überall Kommissionen, Komitees, überall Loyalisten eingesetzt, die aufgrund persönlicher Gefolgschaft ausgewählt wurden.
00:14:18: Das ist ein großes Problem.
00:14:20: Denn das hat zusätzlich noch dazu geführt, dass die staatlichen Institutionen, die unter Assad komplett ausgehüllt waren, einfach nicht ins Laufen kommen.
00:14:27: Also wer jetzt plötzlich Auftritt als Staatsmann in Nadelstreifen anzügen, ist das für dich glaubwürdig?
00:14:35: Ashara ist kein Opportunist, sondern jemand, der die Zeichen der Zeit lesen kann.
00:14:40: Es gibt Gründe dafür, warum er sich dem bewaffneten Widerstand und nicht nur den bewaffneten Widerstand, sondern den extremistischen Gruppionen angeschlossen hat.
00:14:47: Die haben aber nicht nur mit seiner religiösen Überzeugung, seiner Persönlichkeit zu tun, sondern auch mit den Umständen.
00:14:53: Denn in einer Zeit möchte er das nicht rechtfertigen oder relativieren, aber in einem Umfeld, wo man es mit einem dermaßen brutalen Regime, mit dem Assad-Regime zu tun hat.
00:15:03: Dass sonitische Verdächtige einlocht foltert, ermorden lässt, auch wenn sie nicht Jihadisten und Extremisten sind.
00:15:13: Wenn man es mit einem solchen Gegner und in solchen extremen Verhältnissen zu tun hat, dann ist es leicht nachvollziehbar, dass jemand sagt, dann schließe ich mich den Gruppen an, die am entschiedensten dagegen kämpfen.
00:15:24: Und da ist die Religion und ist die Ideologie natürlich eine wichtige Kraft der Mobilisierung.
00:15:30: Dieser Aspekt ist sehr, sehr wichtig.
00:15:32: Was das Schadar getan hat, er ist ein Kind der Geheimdienste.
00:15:35: Er ist sein Leben lang negativ und positiv.
00:15:38: mit Geheimdiensten in Berührung gewesen.
00:15:40: Die syrische Regime, dann die Amerikaner, die ihn während seines kurzen Aufenthalts im Irak gefangen und ins Gefängnis gesteckt haben.
00:15:47: Das heißt, geheimdienstliche, konspirative Machtlogiken, das ist ihm absolut vertraut.
00:15:53: Und so hat er geherrscht in Idlib und so herrscht er auch heute.
00:15:58: Der Wandel einer solchen Figur, das kann nicht nur ein psychologischer Prozess, sondern das ist auch einer, der einfach durch die geopolitischen Verhältnisse beeinflusst wird.
00:16:07: und was man gesehen hat, ist, dass er diese Verhältnisse sehr gut lesen kann und dass er sie in seinem Sinne nutzt.
00:16:13: Also das heißt, dass weniger ein Ideologe würdest du sagen oder eben ein Fundamentalist im Denken, sondern es ist auch vor allem Machtpolitiker, der die Gunst der Stunde zu nutzen weiß.
00:16:23: Das ist kein Widerspruch und das ist, glaube ich, auch eine interessante Erkenntnis.
00:16:28: Wir fragen uns so oft, kann jemand, der ideologisch und überzeugt ist, wirklich pragmatisch sein?
00:16:34: Natürlich kann er das.
00:16:36: Pragmatismus und Ideologie ist nicht unbedingt etwas, was sich gegenseitig ausschließt.
00:16:39: Und deswegen ist ja auch der große Verdacht, naja, er ist ein Wolf im Schafspelz, er tut jetzt so, als hätte er sich verändert, aber in Wirklichkeit ist er der Alte geblieben.
00:16:47: Es gibt einen zweiten Aspekt und das ist die transformative Kraft.
00:16:51: des Amtes.
00:16:52: In dem Moment, wo man Entscheidungen trifft und politische Macht ausübt und nicht mehr im Untergrund ist, da muss man natürlich neue Ansätze verfolgen.
00:17:00: Man muss neue Realitäten zur Kenntnis nehmen.
00:17:02: Und all diese Punkte spielen hier rein.
00:17:04: Aber abgesehen davon, ich habe anfangs gesagt, dass Ashadah seinen Glück noch gar nicht fassen kann.
00:17:10: Ich glaube, diese Menschen, die reden zwar von langfristigen Strategien und Visionen, aber in Wahrheit.
00:17:14: Hangen, die sich von einem Tag zum nächsten und improvisieren und versuchen, sehr, sehr kurzfristig irgendwie sich und ihre Herrschaft zu stabilisieren.
00:17:21: Also für Ashada ist es zwar so, dass Gott ihn bis hierhin begleitet hat, aber es kann auch jeder Tag sein Letzter sein.
00:17:28: Ist doch auch ein bisschen überrumpelt von diesem Erfolg.
00:17:31: Natürlich.
00:17:32: Lass uns noch ein bisschen die neuen staatlichen Strukturen anschauen.
00:17:37: Auch da muss ja ein Umbau passieren.
00:17:39: Du hast vorhin schon erwähnt, dass eben auch Loyalisten zum Teil in Ämter gehieft wurden.
00:17:43: Also ein komplizierter Prozess.
00:17:46: Ich würde interessieren jetzt mal auf der sicherheitspolitischen Ebene, was da passierte.
00:17:51: Also einerseits militär.
00:17:53: Als Schadar ist ja sehr, sehr, damit ich beschäftige, Waldausbrüche einzudämmen und bewaffnete Gruppen in die Armee einzubinden, wo stehen wir da?
00:18:01: Das ist ja sicher keine leichte Aufgabe.
00:18:04: Nein, das ist überhaupt keine leichte Aufgabe, denn Schadar hat ja nicht einfach eine Armee, in die er irgendwelche Kräfte einbinden soll, sondern er hat ja eine komplett neue Armee mitgebracht, die de facto die Alte ersetzt.
00:18:16: Und das sind Tausende... großen Teils freiwillige, aber auch natürlich aus ökonomischem Interesse, aber auch aus ideologischem vorhandenen Medizionäre.
00:18:27: Das sind verschiedene bewaffnete Gruppen.
00:18:29: Es ist nicht so, dass man die in einen Sicherheitsapparat integriert, sondern im Grunde ist es so, dass man aus denen einen neuen militärischen oder Sicherheitsapparat macht.
00:18:37: Und das ist natürlich eine schwere Aufgabe, denn diese Gruppen sind keine reguläre Armee.
00:18:44: Diese Gruppen können zum Teil nichts anderes als kämpfen.
00:18:48: Und junge Männer, die sich zum Teil mit vierzehn und fünfzehn in diesen Gruppen angeschlossen haben, die haben jetzt ihre Ausbildungs- und Studienzeit in einer Milizverbrach.
00:18:59: Versucht die mal, in irgendetwas anderes Sinnvolles zu integrieren.
00:19:03: Das ist ein großes Problem.
00:19:04: Und es gibt innerhalb dieses Milizenverbands, der letztendlich auch zum Achtverhäufen hat, gibt es extreme ... Gruppierungen gibt es extrem ideologische, auch giardistische Gruppen.
00:19:16: Wir hatten im vergangenen März und dann auch wieder im Sommer furchtbare Massaker, die von sonitischen Lizionären verübt wurden an der allerwitischen Minderheit und dann auch im Süden ins Wälder gegen die Drusen.
00:19:28: Ja, genau.
00:19:29: Da waren definitiv auch Kräfte der sogenannten General Security, also Amnerlam nennt sich das, also die paramilitarischen Sicherheitskräfte beteiligt.
00:19:40: nicht, weil die irgendwelche False Flag Operations durchführen wollten, das heißt, weil sie das Regime in Misskredit bringen wollten, sondern weil sie hundertprozentig davon überzeugt waren, dass das richtig ist, was sie da tun.
00:19:49: Die haben keinen Unrechtsbewusstsein und waren der Bezirk, dass sie hier nicht nur gegen Kräfte des alten Regimes kämpfen, sondern dass sie hier auch gegen Ungläubige kämpfen und dass die letztendlich keinen Schutz erwarten können.
00:20:00: Das heißt, die Vorstellung, dass diese Menschen sich jetzt einer patriotischen Idee verpflichtet fühlen, ein gemeinsames Syrien aufbauen wollen.
00:20:09: Die ist weit hergeholt.
00:20:11: Und dann, das ist ein dritter Aspekt, das sind noch die Stämme, die Starmesmilizen, die überall noch in den Provinzen unterwegs sind und die halt auf... die Gelegenheit nutzen, ihre Macht zu demonstrieren.
00:20:21: Also diesen Laden zusammenzuhalten, das ist eine ziemliche Herausforderung.
00:20:28: Was du vorhin angesprochen hast, finde ich ein wichtiger Punkt, wo ich gerne noch kurz einhaken möchte, also die Minderheiten.
00:20:34: Wir haben dieses schwer verwundete Land, viele rufen nach Gerechtigkeit, viele fürchten sich aber auch vor Racheakten.
00:20:42: In diesem letzten Jahr ist es eben auch, du hast es jetzt gerade gesagt, die Gewalte aus Brüch und Massaker in den Russen Gebieten, in den Allerbieten Gebieten, die sind vorgekommen, zum Teil sogar mit Beteiligung von Regierungskräften in einer Form.
00:20:54: Sehr aktiver Beteiligung und mit dem Wissen und der Billigung der Regierung.
00:20:58: Und eben du hast mit diesen Führern von Minderheiten auch gesprochen, als du da warst in Syrien.
00:21:03: Was sagen die denn?
00:21:04: Also wie stehen sie oder wie ist da der Puls gegenüber den neuen Machthabern?
00:21:11: Also wenn man ein System hat, das so funktioniert, dann kann man sich vorstellen, dass die Minderheiten, die jetzt auch nicht unbedingt pro Asiat gewesen sind, sich natürlich zurückgestellt fühlen.
00:21:22: Und dass die zum Teil sogar um ihr Leben flügt.
00:21:25: Bei den Alaouitten ist es besonders drastisch an der Küste.
00:21:28: Es hat in den letzten Wochen ein bisschen abgenommen, was wurden in den vergangenen Monaten regelmäßig tagtäglich Alaouitten auf der Straße erschossen.
00:21:36: Rachemorde, Drive-by-Shooting, entführt.
00:21:40: Obwohl diese Menschen als Individuen unter Umständen mit den Verbrechen des Regimes gar nichts zu tun hatten.
00:21:46: Sondern einfach kollektiv an den Halloween-Racher genommen hat.
00:21:51: Viele hallevitische Männer haben nur Militär-Ausweise beispielsweise und haben ein Durchleuchtungsprozess gegangen, um zu zeigen, dass sie ihre Waffen abgegeben haben.
00:22:03: Auskunft darüber gegeben, was sie im alten Regime getan haben, welche Rolle sie hatten und sollten dann dafür im Umkehrfluss Personalusweise ausgehändigt bekommen.
00:22:12: Das ist nicht geschehen, sodass viele Männer, die an den Checkpoints dann aufgehalten werden, die haben immer noch ihre Militärausweise oder möglicherweise sogar Ausweise von den Milizen der Geheimdienste des vorherigen Regimes.
00:22:23: Und die müssen damit rechnen, wenn sie sich irgendwo ausweisen und so einen Ausweis vorhalten, dass irgendein... ein junger Mann mit der Kalaschenkofta steht und sagt, du bist ein Vertreter des alten Regimes, du wirst ja schoß.
00:22:33: Also diese Angst davor, aufgrund seiner konfessionellen Zugehörigkeit in Haftung genommen zu werden für die Verbrechen des Regimes, die ist nicht abstrakt, sondern die ist real.
00:22:42: Aber das weckt ja auch nicht gerade Vertrauen, wenn man dann auch das Gefühl hat, das sei zum Teil willkürlich und als Schrauber seine Truppen nicht mehr im Griff.
00:22:50: Naja, das ist eben die große Frage, ob er sie im Griff hat oder ob ... Diese Massaka, die dort an den Alaouiden verübt wurden, nicht auch einem Message des Regimes an die Community gewesen sind.
00:23:00: Das ist die große Frage.
00:23:01: Denn das Regime war über das Ausmaß dieser Massaka informiert.
00:23:08: Und viele fragen sich, ob es nicht auch damit den Minderheiten zeigen wollte.
00:23:13: Erhebt euch nicht gegen mich.
00:23:15: Denn ich bin im Zweifelsfall derjenige, an den ihr euch wenden könnt.
00:23:20: Aber diese... Leute, die kann ich nicht aufhalten, wenn die erst mal wütend werden.
00:23:24: Und deswegen seht zu, dass ihr euch zurückhaltet, seht zu, dass ihr loyal über Seiten nennt, nur dann kann ich euch von der Wut der anderen schützen.
00:23:33: Das ist so eine Mafiamethode, die letztendlich auch Baschalassat angewendet hat, der auch immer... wenn sich irgendwelche Geheimdienste und irgendwelche Milizen an der Bevölkerung da vergriffen haben, dann so getan hat, als sei ihm das eigentlich unangenehm und als sei er ja der Landesvater, der für alle da ist.
00:23:49: Das ist eine Methode, die kennen wir und die Frage ist halt, ob Ashadah das auch angewendet hat.
00:23:53: Er hat aber etwas getan, was ich positiv bewerten würde und das war an diesem vorvergangenen Wochenende in Doha.
00:24:00: Da hat er zum ersten Mal den Begriff Alawiten benutzt.
00:24:04: Er hat zum ersten Mal gesagt, Die haben auch gelitten, die wurden vom Regime auch drangsaliert und die sind letztendlich Syrer wie alle anderen Syrer auch, so paraphrasiere ich jetzt mal.
00:24:13: Er hat vorher das nie erwähnt.
00:24:15: Und die Allerwitten sind eine im sunnitischen, extremistischen, spätraumtief verhasste Minderheit.
00:24:21: Nicht nur weil sie die Gemeinschaft von Al-Assad sind, sondern auch weil sie als Ungläubige, als Herätiker gelten.
00:24:27: Er hat die Alaviten jetzt erwähnt und er hat etwas getan.
00:24:31: Einige Tage später hat er irgendeine Delegation von Alaviten aus der Küste empfangen.
00:24:35: Da sehe ich durchaus eine Entwicklung, die vielleicht auch aufgrund von internationalem Druck zustande gekommen ist.
00:24:42: Wir sind
00:24:43: gleich
00:24:43: zurück.
00:24:58: Als unabhängiger Charity-Check analysieren wir wissenschaftlich, welche Hilfsorganisationen am wirksamsten sind, damit du wirklich etwas bewegen kannst.
00:25:07: Mehr auf effektiv-spenden.org.
00:25:17: Daniel, also, wir haben jetzt schon vieles gehört über den komplizierten Aufbau des neuen Syrien nach Jahrzehnten der Diktatur und Krieg.
00:25:26: Und diese Umbau-Syriens wecken auch Sorgen, vor allem etwa im Nachbarland Israel.
00:25:32: Es zeigt militärische Stärke, bombardiert Gebiete im Süden Syriens angeblich zum Schutz der drusischen Minderheit.
00:25:39: Permanent, ja.
00:25:41: Wie verhält sich Al-Shara den Gegenüber Israel?
00:25:43: Was ist da seine Haltung?
00:25:45: Al-Shara weiß genau, dass er gegen Israel militärisch keine Chance hat.
00:25:49: Das wusste sein Vorgänger auch.
00:25:51: Bashar al-Assad immer getan, als sei Syrien der letzte bestehende Frontstadt gegenüber Israel, wobei natürlich völlig klar war, dass Bashar al-Assad niemals Israel angreifen würde oder zum Beispiel die Golanhöhen zurückgeobern würde, die von Israel seit nineteen Sehntsechzig besetzt sind.
00:26:05: Er hat dann Iran ins Haus geholt, hat die Hezbollah ins Haus geholt, um seine Macht zu stabilisieren und ihnen dann auch die Möglichkeit gegeben, von dort aus ihre Stellung und gegen Israel auszubauen.
00:26:16: Das ist alles ziemlich nach hinten losgegangen.
00:26:18: Und Ashada... weiß, wie ich eingangs sagte, die geopolitischen Zeichen zu lesen.
00:26:22: Er weiß, dass er gegen Israel keine Chance hat und dass ihm ein Konflikt mit Israel fundamental im Weg stehen würde, um seine Beziehungen zu den USA zu verbessern.
00:26:29: Und die USA sind notwendig, denn die finden nicht nur aus militärischen Gründen, sondern aufgrund der Finanzmacht, die die USA haben und der Möglichkeit durch Sanktionen den gesamten Zahlungsverkehr lahmzulegen.
00:26:39: Es ist Erfahrungen, die sind für Assad also wichtig, dass er sagt, Wir werden mit den Israelis uns jetzt uns benehmen setzen.
00:26:45: Wir wollen irgendwie einen Nicht-Angriffsvereinbarung schließen mit denen.
00:26:50: Wir wollen uns stabilisieren.
00:26:51: Wir wollen uns normalisieren.
00:26:53: Aber die Israelis müssen dafür uns auch ein bisschen entgegenkommen.
00:26:55: Die Israelis können nicht jeden Tag bombardieren und noch mehr Land besetzen und in einem Dorf irgendwelche mutmaßlichen Verdächtigen einfach erschießen, ohne dass es Konsequenzen hat.
00:27:05: Weil das kann ich mir als jurischer Präsident auch nicht leisten.
00:27:09: Sie haben ja nicht nur als der Vormarsch der syrischen Truppen auf Sueda auf die Dosen im Sommer stattgefunden hat, da haben die ja das Verteidigungsministerium in Damascus bombardiert.
00:27:19: Mitten in Damascus, also vor den Augen der internationalen Diplomatie.
00:27:25: So, und daraufhin hat Ashada die Stammesverbände losgeschickt, von denen klar war, die können die Israelis letztendlich auch nicht aufhalten oder ein großes Massaker zu verüben.
00:27:33: Und hat auf seine Art und Weise gezeigt, wie er asymmetrischen mobilisieren kann.
00:27:37: Aber trotzdem ist für ihn klar, Eine direkte militärische Konfrontation mit Israel steht nicht zur Diskussion.
00:27:43: Und man hat auch, ehrlich gesagt, in Syrien die Nase voll von dieser Anti-Israel-Rhetorik.
00:27:47: Viele Syrer, für die ist Israel nicht das Hauptproblem, sondern sie sagen, sie haben ganz andere Dinge, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen.
00:27:54: Und sie wollen nicht immer das Ganze auf das Thema Israel verengen.
00:27:56: Das heißt, es gibt einen relativ offenen Pragmatismus.
00:28:00: Ashadah hat über mehrere Kanäle versucht, mit Israel auch in Dialog zu treten, über private Kontakte und auch über das Außenministerium und die Amerikaner.
00:28:08: sind da verschiedene Initiativen erfolgt.
00:28:10: Aber wie sich die israelische Seite derzeit benimmt, das verschafft ihm natürlich wenig Handlungsspielraum.
00:28:16: Also
00:28:16: die Amerikaner machen ja auch Druck auf Netanyahu, dass es sich zurückhält, was Syrien angeht.
00:28:20: Ja, derzeit ist der Ball da eher im israelischen Feld.
00:28:22: und dann haben wir natürlich noch den Faktor Türkei.
00:28:24: Denn natürlich ist Syrien ein Gebiet, wo verschiedene geopolitische Interessen gegeneinander laufen.
00:28:30: Und die Rivalität zwischen der Türkei und Israel ist auch ein wichtiger Faktor, der irgendwie ausgeglichen werden muss.
00:28:36: Das heißt, Ashadah muss jetzt aus einer ganz anderen Perspektive mit den globalen Mächten jonglieren.
00:28:42: Und da ist Israel ein Faktor, aber definitiv derjenige, der für ihn unmittelbar am gefährlichsten ist.
00:28:48: Und deshalb hat er da große Sorgfalt weit zu lassen.
00:28:51: Daniel, wir haben darüber gesprochen, eben der neue syrische Machthaber.
00:28:55: Ahmed al-Sharaf wurde anfangs mit Argon auch beäugt, ihm zurecht durch seinen Hintergrund an gefürchter Islamisten, Führer im Bürgerkrieg, sogar auf der US-Terrorliste.
00:29:05: und ausgerechnet dieser Mann soll Syrien in eine neue Zukunft führen.
00:29:10: Klar gab es da am Anfang auch große Bedenken bei der internationalen Staatengemeinschaft.
00:29:15: Und dann beobachtet man zumindest Den äußeren Wandel mal bei Al-Sharah eben nicht mehr in Militäruniform, sondern in diesen Nadelstreifen anzügen.
00:29:24: Der Ex-Jadist wird zum Gast auf internationaler Bühne.
00:29:33: Ich glaube, eine der wichtigen Icebreaker-Momente war die Einladung des saudischen Herrschers Mohammed bin Salman am vierzehnten Mai in Riyadh.
00:29:43: Da wurde dann auch bin Salman ihn mit Trump zusammenbracht.
00:29:53: Das war nicht nur ein Türöffner, sondern das war ein Moment, der wahrscheinlich für die syrische Geschichte ein Wendepunkt war.
00:30:01: So viel ich weiß, haben die Saudis im Hintergrund versucht für Ashada zu werben bei den Amerikanern, dass die Amerikaner schrittweise die Sanktionen abbauen.
00:30:13: Die Syrer sollen zeigen, dass sie Fortschritte machen, dass sie die rechtliche Lage im Land verbessern, aber auch die Sicherheit, dass sieihadistische und terroristische Gruppen rausschmeißen bzw.
00:30:24: neutralisieren.
00:30:25: Und dann kann man darüber reden, dass die sehr komplexen Finanzsanktionen, die gegen das Assad-Regime verhängt wurden, abgebaut werden.
00:30:32: Dann kommt Trump und sieht Aschada.
00:30:35: Und gegen den Widerstand ja viele auch, seine eigenen Anhänger, die dann nur mit solchen Islamisten überhaupt nichts am Mut haben wollen, sondern der Ansicht sind, dass man die bestenfalls irgendwie einsperren oder umbringen sollte.
00:30:45: Schaut er sich diesen Arschade an und sagt so, ich paraphrasiere, oh, der gefällt mir gut.
00:30:51: Der ist irgendwie jung und ehrgeizig.
00:31:02: Den unterstützen wir jetzt mal.
00:31:04: Das ist natürlich komplexer als nur dieser Kairos von Trump, sondern da gab es im Hintergrund auch viele Lobbyaktivitäten.
00:31:10: Aber das war im Grunde der Moment, wo Ashada von sich sagen konnte, ich habe es geschafft, das westliche Lager, also einen der größten und gefährlichsten Spoiler für meine Herrschaft, auf meine Seite zu ziehen.
00:31:31: Und das gibt ihm natürlich unglaubliches Ansehen und auch Hebelwirkung gegenüber anderen Mächten in der Region.
00:31:40: Er schaut sich natürlich an, was in den Golfstaaten so los ist.
00:31:43: Er weiß, dass er nicht die gleichen Ressourcen hat.
00:31:45: Er weiß, dass die Türkei ein wichtiger Partner, aber auch ein gefährlicher Faktor ist, insbesondere für die Wirtschaft in Syrien.
00:31:54: dass der amerikanische Präsident, der erklärte Feind sämtlicher islamistischer und giardistischer Organisationen, derjenige ist, der ohne Vorbedingungen, die Aufhebung der Sanktionen ankündigt, damit konnte Ashadah nicht rechnen.
00:32:09: Das war nicht voraus zu sehen.
00:32:12: Dann geht es aber natürlich ins Detail.
00:32:13: Was macht man mit so einer Aussage?
00:32:16: Man muss natürlich dann auch... liefern.
00:32:20: Und man hat ja ein paar gute Fachleute eingebracht, die auch an dem Abbau der Sanktionen arbeiten.
00:32:26: Und er hat etwas getan, was vielleicht von ihm so nicht erwartet wurde.
00:32:29: Er hat seine Beziehung zu Russland, das haben wir mal geklärt.
00:32:34: Und das ist, wenn man bedingt, dass die Russen ja eigentlich im Feindeslager waren, ist das auch eine beachtliche Entwicklung.
00:32:42: Allerdings, ja.
00:32:43: Wie erklärst du dir denn diesen Wandel?
00:32:45: Ich meine, dass Chara sich Russland amnäht, obwohl gerade die Russen die engsten Buddies des verhassten Assad-Regimes waren.
00:32:55: Einer der Gründe dafür, dass das Assad-Regime gestürzt ist, war auch, dass die Türken und diese aufständischen Gruppen, die Russen davon überzeugen konnten, dass die russischen Interessen nicht unmittelbar gefährdet sind.
00:33:05: Das heißt, man hat den Russen zugesichert, dass sie ihre Basen, ihre Militärbasen erst mal behalten dürfen.
00:33:12: und dass man sie nicht angreifen würde.
00:33:14: Und für Russland war dann letztendlich die Logik, wollen wir jetzt wirklich dieses Assad-Regime weiter verteidigen, militärisch, oder können wir nicht auch mit einem islamistischen autoritären Herrscher ganz gut leben.
00:33:23: Und dafür haben sie Beispiele, beispielsweise in Chechenien, im Kaukasus.
00:33:27: Da haben sie auch so einen islamistischen Führer, den sie zu einem nationalistischen Klienten transformieren konnten.
00:33:33: Und damit haben die Russen kein Problem.
00:33:34: Kadirov.
00:33:35: Genau, Raffensan, Kadirov.
00:33:37: Als Ashada neulich in Moskau war, Da wurde über verschiedene Dinge gesprochen, auch über russische Wirtschafts- und Militärinteressen der Region.
00:33:46: Aus seiner Perspektive ist Russland, er hat die Russensurals strategischen Partner bezeichnet, ein wichtiger Faktor, nicht der Hauptfaktor.
00:33:53: kein enger verbündeter, aber durchaus einer, den man nutzen kann, um Interessen auszugleichen und sich nicht zu abhängig zu machen von der Türkei, von den USA, von den Golfstaaten.
00:34:04: Und letztendlich für die Russen, solange Ashada dort nicht irgendwie ein provessliches, liberales, demokratisches System aufbaut, wovon jetzt erst mal nicht auszugehen ist, können sie mit solchen Figuren im Zweifelsfall auch ganz gut leben.
00:34:15: Also, da verschiebt sich einiges in diesem geopolitischen Gefüge in der gesamten Region mit Al-Sharah, dem neuen Herrscher in Syrien, seit einem Jahr.
00:34:25: Das Verhältnis zu den Golfstaaten, das Verhältnis zu Russland und auch das Verhältnis zum Westen verbessert sich dank Türöffner Trump.
00:34:33: Al-Sharah wurde seither in den Elysée-Palast eingeladen.
00:34:36: Er durfte Ende September als erster syrische Präsident seit sechzig Jahren vor der UNO sprechen.
00:34:43: Aber man kann vielleicht daraus auch ablesen, im Moment wünscht sich die internationale Staatengemeinschaft ein stabiles Syrien.
00:34:50: Eigentlich ziemlich egal, wer der Vorsitz hat.
00:34:53: Es ist stabil, es ist gewaltfrei, es ist kein Krieg mehr.
00:34:56: Ja, also Hauptsache von Syrien gehen keine ungesteuerten Migrationswellen, kein Terrorismus aus.
00:35:01: Das scheint die Priorität zu sein.
00:35:03: Und das ist übrigens hochinteressant, dass wir überhaupt nicht mehr reden über irgendwie Demokratie oder Demokratisierung.
00:35:10: Also der Begriff ein demokratisches Syrien, der kommt in diesen ganzen Diskussionen der Transition, also dieser Übergangszeit, die sich Aschada ja selber gestellt hat, gar nicht mehr vor.
00:35:19: Aschada ist der mächtigste von den Kompetenzen, der mächtigste Präsident eigentlich den Syrien jemals hatte mit einer Ausnahme.
00:35:26: Er kann keine Dekrete mehr mit Gesetzeskraft erlassen.
00:35:29: Dafür ist jetzt dieses Beraten, dieser Schurarrad oder dieses sogenannte Parlament da.
00:35:34: Oder ich habe nicht den einen interessiert, irgendjemand daran arbeitet, eine demokratische Legitimation, ein demokratisches System aufzubauen.
00:35:41: Da sind wir auch gleich wieder beim Anfang, oder?
00:35:44: Also nur ganz kurz dazwischen.
00:35:46: Du hast ja ganz zu Beginn gesagt, es ist nicht klar, wohin Chara mit diesem neuen Syrien eigentlich steuert.
00:35:53: Also das heißt, die Interessen von außen und die Interessen von innen, die sind vielleicht auch nicht konkurrent.
00:35:57: Aber was ist denn da deine Einschätzung?
00:35:59: Geht es in diese demokratische Richtung möglicherweise sogar?
00:36:04: Zwei Punkte.
00:36:04: Eines verfolgt er selber dieses Interesse.
00:36:08: Das glaube ich nicht.
00:36:08: Ich denke, Ashada geht davon aus, dass erst mal nicht unbedingt, weil Demokratie und... Islam nach seinem Dafürhalten eigentlich nicht zusammenpassen, sondern er geht davon aus, dass demokratische Prozesse disruptiv sind.
00:36:19: Und das hat er in der Region, da lassen sich auch Belege verfinden, dass nach dem arabischen Frühling demokratische Prozesse, demokratisierungsprozesse den Widerstand anderer Akteure in der Region auf den Plan gerufen haben, die politische Meinungsbildung nicht funktioniert hat, dass die Kräfte zersplittert sind und das zu Unsicherheit und auch ökonomischem Stillstand geführt hat.
00:36:38: Diese Vorstellung, dass Demokratie in kritischen Phasen der arabischen Welt eher disruptiv ist und nicht stabilisierend ist, ist weitverbreitet.
00:36:45: Aber die Frage kann ich dir nicht beantworten, was er eigentlich für eine Vision hat.
00:36:53: Ich bin gar nicht sicher, ob er überhaupt eine hat oder ob er einfach nur denkt, wenn ich die Macht stabilisiere und dafür sorge, dass ich das hier ökonomisch entwickelt, dann werden mir die Menschen irgendwann das Vertrauen entgegenbringen und dann werde ich irgendwie eine Lösung finden.
00:37:07: Es ist vollkommen natürlich kontraintuitiv, dass wir uns denken, dass auf der Welt wieder Monarchien entstehen könnten.
00:37:14: Aber wir leben in verrückten Zeiten und ich halte es gar nicht für so ausgeschlossen, dass auch Ashada denkt, eine islamische autoritäre Herrschaft, ein Emirat, was im Grunde equivalent einer Monarchie wäre, ist die richtige Herrschaftsform für Syrien.
00:37:31: Keine Demokratie.
00:37:32: Ich muss mich zum Schluss unbedingt noch diese eine Sache fragen.
00:37:35: Du hast gerade ein Buch herausgebracht mit dem Titel Die Kunst des Friedens.
00:37:40: Darin geht es um Deals, Friedensverhandlungen und Geheim, Diplomatie im Nahen Osten.
00:37:45: Auch diesen Link stelle ich euch in die Shownotes.
00:37:48: Können die Menschen in Syrien den endlich auf stabilere und friedlichere Zeiten hoffen?
00:37:54: Jetzt kurz vor Weihnachten.
00:37:55: Ein bisschen Hoffnung.
00:37:57: Ich denke, dass die Menschen in Syrien vielleicht jetzt nicht unbedingt auf Stabilität und Frieden hoffen können, aber es gibt doch etwas, was ihm Zuversicht bringen sollte und das ist, dass sie ein Stück weit das Schicksal selber in der Hand haben.
00:38:13: Die Machtübernahme von Ashada das letzte Jahr hat natürlich gezeigt, dass internationale Player, internationale Mächte, die mit denen Einfluss kämpfen, immer eine Rolle spielen.
00:38:23: Aber es hat auch gezeigt, dass die Syrer selber immer wieder in der Lage sind, diese Akteure zu überraschen.
00:38:29: Und das ist, was die Geschichte des Nahen Ostens für mich auch lehrt.
00:38:33: Wir können so viel über Geopolitik und Mächte und Interessen und Rohstoffe usw.
00:38:37: reden.
00:38:38: Es kommt immer irgendein Underdog um die Ecke, ein lokaler Akteur, der niemand auf dem Schirm hatte oder die wenigste auf dem Schirm hatten und weiß, die Zeichen der Zeit, im Seinen Sinne zu lesen.
00:38:48: Und die Syrer sind durchaus auch in der Lage, geopolitische Verhältnisse zu erkennen, die Zeichen der Zeit zu nutzen.
00:38:55: Und vielleicht schaffen sie es ja positiv im Sinne auch der Stabilisierung und der positiven Entwicklung ihres Landes, diese Geopolitik in ihrem Interesse einzusetzen.
00:39:04: Ich danke dir, Daniel.
00:39:06: Ja, vielen Dank für die Einladung.
00:39:08: Vorweihnachten dann.
00:39:09: Danke
00:39:09: und ich hoffe sehr, dass wir uns dann irgendwann einmal wieder in Syrien vielleicht in einem Museum ohne vergelbte Glasvitrinen wiedersehen.
00:39:17: Ich fand das gar nicht so langweilig dieses Museum, wie du es jetzt darstellst.
00:39:20: Aber ja, du müssen doch mal hin, um zu gucken, wie es eigentlich jetzt aussieht.
00:39:24: Ob
00:39:24: es noch existiert.
00:39:26: Danke, Daniel.
00:39:27: Tschüss.
00:39:27: Ja, danke dir.
00:39:28: Tschüss.
00:39:32: Das war NCZ Geopolitik, das große Ganze verstehen.
00:39:36: Heute mit dem Syrien-Experten und Chefredaktor von Zenit, der Zeitschrift für den Orient in Berlin.
00:39:43: Mein Name ist Marli Nöller.
00:39:46: Ja und wir, das Tandem von NCZ Geopolitik, David Vogel und ich, wir verabschieden uns in die Weihnachtspause.
00:39:53: Wir spielen dann Wiederholungen aus dem letzten Jahr und sind Mitte Januar mit frischen Folgen für euch zurück.
00:40:00: Und wer in der Zwischenzeit vertiefte Analysen zur Weltlage und Geopolitik lesen möchte, der findet viele spannende Artikel bei meinen geschätzten Kollegen von NCZ Pro.
00:40:12: Den Link zum Abo packe ich euch in die Shownotes.
00:40:16: Und jetzt bleibt mir euch allen wundervolle, erholsame und hoffentlich friedvolle Feiertage zu wünschen.
00:40:22: Macht's gut und bis im neue Jahr.
00:40:24: Ciao!
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