Ukraine, Gaza, Kongo: Wie beendet man einen Krieg?

Shownotes

Kriege sind gerade sehr präsent. Ob in der Ukraine, im Nahen Osten, in Kongo: Die Konflikte haben nicht nur schwere Folgen für die Menschen, sondern auch für die Stabilität der globalen Ordnung. Der Historiker Jörn Leonhard beschreibt, was es für ein Kriegsende braucht und warum ein Waffenstillstand noch lange keinen Frieden bringt.

Gast: Jörn Leonard, Historiker von der Universität Freiburg i. Br.

Host: Marlen Oehler

Das Buch von Jörn Leonard «Über Kriege und wie man sie beendet» findet ihr hier.

In der NZZ hat Jörn Leonard auch ein Interview gegeben, in dem er seine Thesen in Bezug auf den Ukraine-Krieg erläutert.

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Transkript anzeigen

00:00:00:

00:00:09: Es war ein Moment der unbeschreiblichen Erleichterung in Europa.

00:00:20: In seiner Rede an die Nation auf BBC gab der britische Staatschef Winston Churchill am achten Mai, die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte bekannt.

00:00:36: Und damit das Ende des Krieges in Europa.

00:00:51: Doch der Zweite Weltkrieg war damit noch nicht zu Ende.

00:00:55: Aus den USA klang die Siegesmeldung anders.

00:01:01: Der amerikanische Präsident Harry Truman sagt, der Krieg in Europa im Westen habe geendet.

00:01:07: Doch es stünden noch gewaltige Anstrengungen bevor, um auch den Krieg im Osten zu beenden.

00:01:20: Es dauerte weitere drei Monate, bis auch für die USA der Zweite Weltkrieg zu Ende geht.

00:01:29: Am elften

00:01:32: August, May, verkündet US-Präsident Truman die bedingungslose Kapitulation der Japaner.

00:01:42: Das ist der Tag, auf den die USA gewartet haben, seit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und dem damit forcierten Kriegseintritt der USA.

00:01:55: Wann ein Krieg endet, ist graduell und auch eine Frage der Perspektive.

00:02:00: Und erst recht komplex ist die Frage, wann wirklich Friede herrscht.

00:02:05: Was also lehrt uns die Geschichte, wenn wir auf die zahlreichen Kriege der Gegenwart blicken?

00:02:10: Gaza.

00:02:11: Ukraine, Sudan.

00:02:13: Was ist nötig, damit ein Krieg beendet werden kann?

00:02:16: Dass ein Waffenstillstand hält und im besten Fall ein dauerhafter Friede entsteht.

00:02:22: Darüber spreche ich heute mit dem Historiker Jörn Leonhardt von der Universität Freiburg im Breisgau in NCZ Geopolitik.

00:02:30: das große Ganze verstehen.

00:02:32: Mein Name ist Marlen Öler.

00:02:35: Guten Tag, Herr Leonhardt.

00:02:36: Guten Tag.

00:02:38: Herr Leonhard, Zahlen zeigen, in den letzten fünfzehn Jahren haben bewaffnete Konflikte weltweit stark zugenommen.

00:02:45: Leben wir in besonders kriegerischen Zeiten.

00:02:48: Also als Historiker würde ich das ein bisschen relativieren.

00:02:52: Es kommt eben sehr stark darauf an, in welcher Region wir uns... befinden, wenn sie Europa nehmen.

00:03:00: Europa war vom Mittelalter bis nach nineteenfünfundvierzig ein Kriegsraum.

00:03:05: Das ist heute ein Bedrohter, aber ein Friedensraum mit den Bedrohungen, wie wir sie in Jugoslawien oder in der Ukraine erleben.

00:03:14: Für andere Regionen wie Asien oder Afrika gilt, dass wir eine enorme Verdichtung von Kriegen haben.

00:03:20: Plicken wir aber zum Beispiel auf Opferzahlen, dann sind die Kriege der Gegenwart weit entfernt von den Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs.

00:03:29: Wir haben aber heute nicht zuletzt durch soziale Medien eine völlig andere Wahrnehmung von Gewalt und Kriegen.

00:03:35: Und deshalb ist natürlich auch der subjektive Eindruck, dass wir in einer sehr viel kriegerischen Welt leben.

00:03:41: Aber die Frage, was kriegerisch ist und was Kriege sind und was wir zum Kriterium von Kriegen machen, das ist eben historisch sehr wandelbar.

00:03:50: Jetzt, Sie haben ja ein Buch geschrieben mit dem Titel über Kriege und wie man sie beendet.

00:03:56: Ich werde den Link dazu in die Show noch zu packen.

00:03:58: Erschienen im Herbst, zwanzig, dreiundzwanzig, mitten im Ukrainekrieg und kurz vor dem Gaza Krieg.

00:04:05: Das weckt Erwartungen und es traf einen Nerv in diesen Zeiten, in denen wir Antworten wünschen, wie man da wieder rauskommt, eben wie man Kriege endet.

00:04:15: Könnte man das Buch?

00:04:16: Putin oder Netanyahu in die Hand drücken und sagen, schaut mal, so ginge das.

00:04:22: Nein, das Buch ist keine Blaupause, das wäre auch ein über... triebene Anspruch an das, was historische Wissenschaft leisten kann.

00:04:32: Ich habe, Sie haben völlig recht, das Buch geschrieben vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und vor dem Hintergrund der Frage, die uns alle umtreibt, wie kommt man aus Kriegen heraus und was macht Frieden stabil?

00:04:44: Aber es ist das Buch eines Historikers, der das im Bewusstsein geschrieben hat, dass man weder politische noch militärische Entscheidungssituationen quasi an die Geschichte delegieren kann.

00:04:56: Was wir aus der Geschichte eher lernen, ist mit welchen Szenarien, mit welchen Faktoren müssen wir rechnen, wenn wir uns auf diesen komplizierten Weg vom Krieg in den Frieden bewegen.

00:05:10: Und im besten Sinne kann das dann dazu beitragen, dass man vielleicht die eine oder andere Analogie, die immer auch etwas mit Geschichte zu tun haben, dass wir diese Analogien besser beurteilen können.

00:05:20: Sind es gute Analogien, sind es schlechte Vergleiche und dass wir Vielleicht damit auch der Vielzahl von Informationen, Nachrichten, Meinungen, so eine Art von zweiten Blick ergänzen können.

00:05:33: Und im besten Sinne hilft dann vielleicht der Blick in das ganz historisch Entfernte, den Abstand zu gewinnen, den man vielleicht braucht, um in der Gegenwart etwas besser zu erkennen und auch besser zu erklären.

00:05:46: Okay, also versuchen wir nun mit historischem Blick die Mechanismen, Verläufe, das Ende von Kriegen etwas zu ergründen.

00:05:53: Was ja grundsätzlich mal auffällt, wenn wir den Startpunkt anschauen, Kriege beginnen oft mit dem Versprechen auf ein schnelles und triumphales Ende, was meist ja dann weit weg ist von der Realität.

00:06:06: Ein aktuelles Beispiel ist der Ukraine-Krieg, als im Morgengrauen des Vierundzwanzigsten Februar-Zwanzig-Zweiundzwanzig Russische Panzer über die ukrainische Grenze rollten.

00:06:17: Da gab es viele Stimmen, auch außerhalb Moskau, die überzeugt waren, dass Russland die Ukraine in wenigen Tagen überrollt und zieht.

00:06:26: Warum ist dieser schnelle Triumphale-Sieg in der heutigen Zeit dann doch meist eine mehr?

00:06:33: Es ist nicht nur in der heutigen Zeit eine Meer, es ist beim Blick auf die neuzeitliche Geschichte meistens eine Meer.

00:06:40: Es gibt den Mythos der Entscheidungsschlacht, also denken wir an den Beginn des Ersten Weltkriegs, des Große Versprechen, dass man an Weihnachten schon wieder zu Hause ist, aber das ist faktisch die Ausnahme.

00:06:53: Auch nach sogenannten Entscheidungsschlachten gibt es eigentlich sehr häufig das Beispiel, dass die Unterlegenen in der Lage sind, innerhalb weniger Wochen oder Monate wieder Kräfte zusammenzuziehen und weiter zu kämpfen.

00:07:07: Das Grundproblem, das dahintersteht, das hat der preußische Kriegsphilosoph Karl von Klausowitz, wie ich meine, sehr gut auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat, jeder einmal ausgebrochene Krieg unterscheidet sich vom prophezeiten, prognostizierten oder geplanten Krieg, weil jeder ausgebrochene Krieg eine Dynamik entwickelt.

00:07:28: die eben auch mit Kontingenz einhergeht.

00:07:31: Und das bedeutet, dass eben vielleicht ein Krieg ganz minutiös vorbereitet ist, wie der erste oder auch der zweite Weltkrieg.

00:07:39: Denken wir auch an solche Begriffe wie Plitzkrieg.

00:07:41: Das steht ja die Vorstellung dahinter, dass man das ganz schnell beenden kann.

00:07:45: Und dann entsteht trotzdem eine Dynamik, die all diese Planungen zur Makulatur werden lässt.

00:07:51: Und das bedeutet dann eben auch, dass der Krieg permanent neu erfunden werden muss und dass auch die Bedingungen aus diesem Krieg herauszukommen, sich fundamental verändern, weil mit jedem Monat, jeder Woche, jedem Jahr solche Kriege mehr Opfer anhäufen und die höheren Opfer, die Konzessionsbereitschaft in der Regel viel schwieriger machen.

00:08:14: Jeder, der dann Konzessionen andeutet, steht immer in der Gefahr, all die Opfer zu verraten.

00:08:21: Und das ist das, was wir ja gerade im Ersten Weltkrieg, auch im Zweiten Weltkrieg erleben.

00:08:25: Daraus entstehen die Dolstoß-Legenden, die mit diesen Kriegen ja auch einhergegangen sind.

00:08:33: Entscheidungsschlachten angesprochen.

00:08:35: Im Geschichtsunterricht hört man bis heute ja gerne von diesen heroischen Schlachten in der Antike, zum Beispiel der alten Griechen über die Perser.

00:08:45: Etwa die Schlacht bei Salamis kennen vielleicht viele.

00:08:48: Sie sagen Kriege ziehen sich aber meistens hin.

00:08:52: Liegen denn einfach zu viele Jahrhunderte dazwischen?

00:08:55: Also haben wir einfach einen verstellten Blick auf die Geschichte, dass es auch diese Entscheidungsschlachten früher so gar nicht gab.

00:09:03: gute Evidenz dafür, dass viele Entscheidungsschlachten vor allen Dingen mythische Erzählungen über Entscheidungsschlachten sind.

00:09:12: Und eigentlich haben sie die wunderbaren Beispiele schon gebracht, wie Salamis oder die Thermopülen oder Kanä.

00:09:19: Und das könnten sie jetzt durchdeklinieren über Leuten im siebenjährigen Krieg und die Kriege Napoleons.

00:09:25: Aber wenn man genau hinsieht, sind das unter Unständen wichtige militärische Treffen, aber die eine Schlacht, die einen Krieg entscheidet, ist die Ausnahme.

00:09:35: Nehmen Sie die Schlacht von Sédan im deutsch-französischen Krieg von Achtzehnhundertsiebzig, sie entscheidet eben nicht den ganzen Krieg, weil viele Franzosen argumentieren, diese Schlacht hat Napoleon III.

00:09:47: verloren und jetzt gibt es einen Volkskrieg gegen die deutschen Besitzer und dann setzt sich der Krieg eben fort.

00:09:54: Also wir müssen bei Entscheidungsschlachten glaube ich ganz stark unterscheiden zwischen der historischen Evidenz und dem Mythos, der aus diesen Entscheidungsschlachten entstanden ist, sondern diesen Entscheidungsschlachten hängen sehr häufig heroische Erzählungen.

00:10:10: Und das ist eine andere Ebene als das, worum es hier geht, nämlich die Frage, ob mit einer Entscheidungsschlacht ein Krieg kurz gehalten wird und damit ganz schnell wieder ein Fenster der Politik und Diplomatie kommt.

00:10:23: Die meisten Entscheidungsschlachten sind, wenn man sie genauer betrachtet, eher selten Schlachten, die einen Krieg per se entscheiden.

00:10:32: Es gibt diese Fälle, aber sie sind eher selten.

00:10:35: geht auch in die Richtung jetzt, also Kriege beginnen ja häufig mit einem symboltrechtigen Auslöser, sag ich mal, das sind ja nicht die Gründe, aber es ist ein Auslöser.

00:10:44: Also zum Beispiel, wenn wir an den Ersten Weltkrieg denken mit dem Attentat von Sarajevo, so quasi wie so ein auslösendes Moment für den Krieg, aber beim Kriegsende, es ist meistens eben nicht punktuell.

00:10:56: Genau.

00:10:57: Das ist ein

00:10:57: großer Unterschied.

00:10:58: Genau, also es ist ja ein Unterschied, ob ich über Gründe oder Anlässe spreche.

00:11:03: Und der Anlass, der ist eben sehr häufig mit diesen ikonischen Momenten verbunden, der Prager Fenstersturz, S.A.R.A.J.O.

00:11:13: oder der Beginn des Kriegs in Pazifik mit dem Angriff auf Pearl Harbor.

00:11:16: Und das könnten wir bis zum Ukrainekrieg oder dem Oktober, mit dem Überfall der Hermas auf Israel identifizieren.

00:11:25: Das sagt dann noch nichts darüber aus, was die tiefer liegenden strukturellen Ursachen sind.

00:11:30: Und dann würden wir ganz andere Vorgeschichten noch mal schreiben.

00:11:33: In gewisser Weise ist das schon kompliziert genug.

00:11:36: Aber das Ende von Kriegen ist eben sehr viel komplizierter, weil häufig diese ikonischen Momente fehlen.

00:11:42: Es gibt die Sehnsucht nach diesen ikonischen Momenten.

00:11:45: Deshalb der Kult um Unterschriften auf einem Dokument, der Kult um Friedensverträge, die abgeschlossen werden, Männer, die sich die Hände reichen.

00:11:55: weil es ein vielleicht zutiefst menschliches Bedürfnis gibt, das Ende eines Krieges zu markieren als einen Moment.

00:12:02: Wenn wir aber genauer drauf gucken, dann sind solche Momente, in denen Kriege enden, ich habe das in meinem Buch so genannt, ungleichzeitig.

00:12:11: Also nehmen Sie etwa das Ende des Ersten Weltkriegs, da könnte man sagen, der Krieg endet in Osteuropa, Und er geht seit Jahrhundertundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund in dem der Zweite Weltkrieg endet.

00:12:51: Sondern es gibt ein Kriegsende in Europa und ein Kriegsende in Asien.

00:12:55: Und wenn man genau guckt, gibt es vielleicht sogar in Europa nochmal unterschiedliche Kriegsenden.

00:13:00: Für viele Franzosen ist der Krieg nr.h.

00:13:02: zu Ende.

00:13:03: Und für viele Menschen in Berlin erst am achten Mai nr.h.

00:13:07: und einige würden sagen, selbst nach dem achten Mai haben sie eigentlich noch kriegerische Gewalt erfahren.

00:13:12: Das meine ich mit dieser Ungleichzeitigkeit.

00:13:15: Aber kann man sagen, es gibt aber doch so Wendepunkte.

00:13:18: Also innerhalb, wenn man einen Krieg auch in der historischen Schau jetzt anschaut, es gibt immer Wendepunkte, die dann auf das Kriegsende abzielen oder Indizien für ein baldiges Kriegsende sind, wie zum Beispiel die Schlacht von Stalingrad, wo klar war, das ist ein Wendepunkt für die deutschen Streikräfte im Zweiten Weltkrieg.

00:13:38: Sehen wir solche Wendepunkte denn im Moment in der Gegenwart, z.B.

00:13:43: in der Ukraine, die auf ein mögliches Kriegsende hoffen lassen?

00:13:47: Also ich glaube, wenn man in diesen Kriegen selbst in Anführungszeichen drinsteckt, so wie die Deutschen, neunzigzehn, zweieinvierzig, dann haben sie ... sicher recht, dass den meisten Deutschen klar war, nach der Schlacht von Stalingrad dieser Krieg ist nicht mehr zu gewinnen.

00:14:03: Aber das heißt nicht, dass der Weg zum Frieden unmittelbar absehbar wird.

00:14:08: Ein autokratisches oder terroristisches Regime hat viele Möglichkeiten durch Repression, sozusagen Gesellschaften auch zu zwingen, durchzuhalten.

00:14:18: Und in vieler Hinsicht ist genau das ja auch mit der deutschen Gesellschaft passiert, wodurch Terrormaßnahmen eine Fortsetzung dieses Krieges eben auch... an vielen Stellen erzwungen wurde, auch mit der Propaganda, was die Deutschen zu erwarten hätten, wenn die vor allen Dingen russischen Gegner in Deutschland ankämen.

00:14:36: Die meisten Wendepunkte erkennt man nicht im Krieg selbst, sondern sie entstehen eher aus einer Art von retrospektiven Logik.

00:14:43: Weil wir wissen, wann der Krieg geendet ist, können wir dann etwas über diese Wendepunkte sagen.

00:14:49: Und deshalb wäre ich sehr vorsichtig zu sagen, was sind Wendepunkte in der Ukraine.

00:14:53: Darüber wissen wir auch als Historiker einfach viel zu wenig.

00:14:56: Wir haben nicht das Material, das Quellenmaterial.

00:15:00: Wir blicken ja ganz intuitiv auf diesen Krieg.

00:15:02: Natürlich kann man sagen, ein Frontdurchbruch oder eine Materialkrise oder der Rückzug der Amerikaner von der Unterstützung der Ukraine sind Faktoren, die unter Umständen für einen Kriegsausgang eine große Bedeutung bekommen.

00:15:18: Aber wenn ich das so kompliziert umschreibe, ist das eben etwas anderes als ein Wendepunkt.

00:15:23: Wendepunkte entstehen aus dem Rückblick und wir können im Augenblick nicht auf das Ende des Ukrainekrieges zurückblicken, weil dieser Krieg noch mitten an der Eskalation, an einer eigenen Dynamik steckt und in einer solchen Phase können wir mit harten analytischen Kriterien noch nicht auf das Ende blicken.

00:15:43: Wenn wir jetzt noch auf ein ganz aktuelles Beispiel schauen.

00:15:46: Israel hat Mitte Juni mit Unterstützung der USA Iran angegriffen.

00:15:50: Gezielt und effizient.

00:15:51: Das Atomprogramm zerstört und Teile der Militärführung ausgelöscht.

00:15:56: Und dann nach zwölf Tagen wurde ein Ende des Krieges erklärt.

00:16:00: Es wird jetzt schon bereits vom Zwölftagekrieg gesprochen.

00:16:03: Dann könnte man sagen, es geht also doch auch kurz und bündig.

00:16:07: Oder trügt an der Blick.

00:16:08: Also zunächst, ich hätte Schwierigkeiten, das als Krieg zu bezeichnen.

00:16:12: Das ist erstmal eine militärische Intervention und das ist ein Militärschlag.

00:16:16: Es gibt ja unterschiedliche Definitionen von Krieg, wo man sagen muss, es muss über eine längere Phase eine opferreiche Eskalation geben.

00:16:25: Ich glaube, da würden viele Konfliktforscher sagen, das ist Teil eines größeren Gewaltgeschehens, aber eine klassische Kriegsdefinition ist da gar nicht so einfach anzuwenden.

00:16:35: Wenn wir das zu einer Definition machen würden, was dort passiert ist, hätten wir sozusagen in der Tat eine Inflationierung des Kriegsbegriffs und dann trägt er ja eigentlich auch nicht mehr zur analytischen Klarheit bei.

00:16:48: Also für mich ist das eine militärische Intervention, die im Kontext eines größeren Konflikts steht, überhaupt keine Frage.

00:16:55: Aber das kann man jetzt nicht in die gleiche Kategorie wie den ersten oder den zweiten Weltkrieg, den Korea-Krieg, den Vietnam-Krieg oder auch den Ukraine-Krieg reinstecken.

00:17:03: Da muss man, glaube ich, schon analytisch dann auch präzise sein.

00:17:06: Kann man den Aussagen treffen, was für Konstellationen es braucht, zwingend immer, um Kriege zu beenden?

00:17:13: Nein, das kann man nicht.

00:17:14: Das geht nicht.

00:17:15: Man kann etwas über Plausibilitäten erfahren und über wahrscheinlichere oder unwahrscheinlichere Szenarien.

00:17:22: Und natürlich, da gibt es Dinge, die wichtig sind, also etwa die Aussage, die, glaube ich, auch mit guter Evidenz belegt ist.

00:17:30: Das Kriege, die länger dauern, also auch deutlich länger als ... zwei Wochen oder vier Wochen, dass solche Kriege in der Regel schwerer zu bewerkstelligen sind, schwerer zu beenden sind, weil es mehr Opfer gibt, weil es häufig mehr involvierte Akteure gibt, weil es Phänomene wie den Stellvertreterkrieg gibt, weil sich viel stärker die Frage von Krieg und Legitimation stellt.

00:17:53: Also derjenige, der Konzessionen macht, steht schnell im Verdacht, die eigenen Opfer zu verraten.

00:17:59: Also das sind Konstellationen, die man, glaube ich, auch so beschreiben kann.

00:18:03: Und ein zweiter Faktor, auf den wir auch schon kurz gekommen sind, Konflikte, bei denen wir starke Vermittler haben, Vermittler, die bereit sind, die Bedingungen eines Waffenstillstands oder eines Friedensvertrags in dem konkreten Fall durchzusetzen, vielleicht sogar selbst mit militärischen Mitteln, wenn notwendig, auch länger in einer solchen Konfliktregion engagiert zu bleiben.

00:18:28: Solche Vermittler mit robustem Mandat machen es sehr wahrscheinlich, dass ein... solcher Friedensprozess besser funktioniert und länger anhält.

00:18:36: Haben Sie da ein Beispiel?

00:18:37: Also nehmen Sie die Rolle der Vereinigten Staaten im West-Europa nach nineteenzefünfundvierzig.

00:18:43: Oder nehmen Sie auch die Rolle der Vereinigten Staaten als ein Vermittler gegenüber Israel in vielen Kriegen im Nahen Osten.

00:18:50: Das hat in den fünftiger, sechziger, siebziger Jahren die Kriege nicht verhindert, aber es hat das Konfliktmanagement, auch den Ausgang aus den Kriegen deutlich erleichtert, zumal es eben dann nicht nur gegenüber Israel, sondern durch Ägypten, durch Jordanien, durch Saudi-Arabien ging.

00:19:06: über den Palästinensern auch relativ starke Vermittler gegeben hat.

00:19:10: Und das ist zumindest eine Begründung, warum trotz all dieser schrecklichen Kriege, die dort stattgefunden haben, man immer wieder auch Ausgänge gefunden hat.

00:19:19: Es gibt einen dritten Faktor, den kann ich ja kurz nur andeuten und das ist einfach die Frage der der Räumlichkeit.

00:19:25: Also nehmen Sie den Nahen Osten, wo das eine kleinräumliche Situation ist, wo es viel einfacher ist, auch internationale Friedenstruppen einzubringen, denn sie an die Golanhöhen nach den Kriegen Israel und im Vergleich dazu die Ukraine, wo sie eine tausend über tausend Kilometer lange Grenze haben und wo der Aufwand für die Vereinten Nationen oder irgendwelche anderen auch nur eine Sicherheitszone einzurichten enorm wäre.

00:19:51: Und das macht die Wahrscheinlichkeit von solchen Szenarien, in denen sie irgendwie versuchen, aus der Eskalation herauszukommen, doch sehr viel unwahrscheinlicher.

00:20:00: Nun, die Forschung zeigt auch, dass rund ein Drittel der Kriege durch einen ausgehandelten Waffenstillstand enden.

00:20:06: In ihrem Buch schreiben sie, dass Waffenstillstandsverhandlungen Kriege aber häufig verlängen oder noch blutiger werden lassen.

00:20:09: Da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs

00:20:22: vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie das Beispiel des Korea-Kriegs vor, da bringen Sie Der Beginn von Waffenstillstandsverhandlungen überhaupt nichts darüber aussagt, ob ein Ende des Krieges wirklich nahe ist.

00:20:33: Wir wissen, dass solche Verhandlungen häufig auch taktisch geführt werden, weil man vielleicht herausbekommen will, wie erschöpft ist die Gegenseite.

00:20:43: Das sehen wir im Korea-Krieg.

00:20:45: Ja,

00:20:45: was lief denn da?

00:20:47: Können Sie das etwas beschreiben?

00:20:48: Naja, im Korea-Krieg sind es ja am Anfang auch überhaupt keine Verhandlungen.

00:20:53: Man trifft sich an einem Ort in einer sozusagen Baracke und schweigt sich über viele Stunden an, weil man nicht mal einen minimalen kommunikativen Faden findet.

00:21:05: Und dann braucht es unendlich lange, bis man über Geschäftsordnungsfragen und sozusagen Verhandlungs- technische Fragen erstmal zu den eigentlichen Punkten kommt.

00:21:17: Und dann hält man sich unendlich lange bei der Frage auf, wie geht man mit den gegenseitigen Kriegsgefangenen um.

00:21:23: Und das zieht sich über hunderte von Verhandlungen, in denen im Grunde genommen kaum etwas passiert.

00:21:29: Aber parallel dazu geht der Krieg permanent weiter.

00:21:33: Und wir müssen uns im Blick auf diese historischen Beispiele lösen von der Vorstellungen, dass die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen ein gutes Zeichen für das Ende des Krieges ist.

00:21:43: Wir haben sehr viele Beispiele auch übrigens im Vietnamkrieg, wo der Krieg permanent weitergeht und man durch die vielleicht sogar Steigerung von Gewalt überprüfen will, ob die andere Seite darauf in den Verhandlungen reagiert.

00:21:58: Und der andere Punkt, der für Korea einfach wichtig ist, ist, dass man in letzter Konsequenz dann eben nicht mehr von einem Waffenstillstand zu einem formalen Frieden kommt, sondern es bleibt bei einem Waffenstillstand.

00:22:11: Dieser Waffenstillstand ist bis heute über hunderttausend Mal gebrochen worden.

00:22:16: Es ist keine eskalierte militärische Gewalt mehr.

00:22:19: Es sind dann Artillerie-Duelle und es werden Raketentests gemacht und es gibt Entführungen und alle möglichen anderen asymetrischen Gewaltformen.

00:22:27: Aber wir kommen nicht mehr zu dem Augenblick, wo ein völkerrechtlich verbindlicher Friedensvertrag geschlossen wird.

00:22:33: Und das meinte ich am Anfang mit der Aussage, dass eben nach nr.h.

00:22:37: die Zahl von Kriegen, die eben nur noch mit einem solchen Waffenstillstand enden, deutlich zunimmt, während die Zahl von Kriegen, die mit einem klassischen, völkerrechtlich verbindenden Friedensvertrag enden, abnimmt.

00:22:49: Und das ist natürlich ein Grundproblem auch von der Stabilisierung von solchen Prozessen.

00:22:55: erzählt über, dass Kriegsenden ein Prozess sind, dass es kein Moment ist, in dem ein besiegter Waffenstillstand unterzeichnet und dann Friede wäre, wenn wir jetzt noch mal die Push-Faktoren anschauen.

00:23:09: die dann zum Kriegsende führen.

00:23:11: Was kann man da sagen auch jetzt wieder mit Blick in die Geschichte?

00:23:13: Ist es häufig einfach Erschöpfung, wenn eine Seite realisiert, es sind zu hohe Verluste, ist es Knappheit an Ressourcen, Waffen, was immer, der Druck von außen.

00:23:23: Kann man da eine Aussage treffen, was Häufige?

00:23:28: Also ein wichtiger Pushfaktor ist, wenn idealtypisch alle Kriegsakteure erkennen, dass sie von der Fortsetzung der militärischen Gewalt weniger zu erwarten haben als von einer politischen oder diplomatischen Lösung.

00:23:43: Und in gewisser Weise ist es die Aufgabe der Diplomatie herauszubekommen, ob dieser Moment erreicht ist.

00:23:49: In der Konfliktforschung bezeichnet man diesen Moment auch als die Reife eines Konflikts, eines Krieges für eine sozusagen diplomatische politische Lösung.

00:23:58: Also man muss rausbekommen, ist die Avisierte oder die formulierte, artikulierte Konzessionsbereitschaft nur taktisch?

00:24:07: Oder ist sie wirklich ein Zeichen dafür, dass es eine echte Bereitschaft gibt, Frieden zu suchen?

00:24:12: Also nehmen sie Putins Politik im Augenblick, die ja ganz stark darauf abzielt, sehr, also minimale Konzessionen anzudeuten, damit man in gewisser Weise Trump im Boot behält, die aber durchsichtig taktischer Natur sind, dahinter steht keine echte Bereitschaft, den Krieg zu beenden.

00:24:32: Und das ist, glaube ich, ein wichtiger Faktor, wann ist bei den Kriegsbeteiligten eine solche Bereitschaft zu erkennen, sich aus dieser militärischen Logik in irgendeiner Form zu lösen.

00:24:43: Und der zweite Faktor, auf den wir ja auch schon zu sprechen gekommen sind, ist ein starker Vermittler.

00:24:50: der herausbekommt, wie groß ist.

00:24:53: die echte Bereitschaft.

00:24:54: und starker Vermittler heißt nicht, wie der Vatikan oder die Schweiz, ein Vermittler, der für die Kommunikation und die Abhaltung einer Konferenz zuständig ist, sondern starker Vermittler bedeutet auch, unter Anwendung von militärischen Sanktionsmitteln bestimmte Bedingungen durchzusetzen.

00:25:12: Zum Beispiel eine Pufferzone oder nehmen Sie das Daten-Accrement, dass man die Beteiligten zusammenbringt und sagt, ihr müsst euch jetzt einigen und ihr geht nicht vorher auseinander, bevor ihr euch nicht geeinigt habt.

00:25:24: Und man macht den Beteiligten klar, wir werden dafür sorgen, dass die Bestimmungen, die am Ende vertraglich festgehalten werden, auch eingehalten werden.

00:25:33: Bis hin zum Preis einer militärischen Intervention, zu der es ja dann gegenüber den Serben gekommen ist, wenn das nicht passiert.

00:25:40: Solche Faktoren, glaube ich, die kann man ableiten.

00:25:43: Und wenn man sie nicht hat, also wenn sie nicht erkennbar sind, dann ist es natürlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass solche Kriege sehr viel schwerer zu beenden sind als Konflikte, bei denen wir solche Faktoren erkennen können.

00:25:55: Sie haben vorhin beschrieben, wie diese Chance auf eine Friedensbereitschaft häufig Erst kommt, wenn der Glaube an einen möglichen Sieg zerstört ist.

00:26:06: Das stimmt ja nicht gerade hoffnungsvoll.

00:26:07: Das würde ja bedeuten, dass es keine intrinsische Motivation für Frieden gibt.

00:26:13: Zumal das Regime ist der Regierung Kriegsführerstaaten.

00:26:17: So würde ich es nicht ausdrücken.

00:26:19: Es macht nur klar, wie hoch die Hürden sind und vor allen Dingen, wie hoch die Hürden sind in einem Krieg, der sehr viele Opfer gekostet hat.

00:26:26: Und das darf man, glaube ich, nicht unterschätzen.

00:26:29: Gesellschaften, die ... damit konfrontiert sind, dass man vielleicht in einem Frieden enorme Konzessionen macht.

00:26:37: In solchen Gesellschaften wird schnell die Frage gestellt, für was sind denn dann unsere Kinder, Ehemänner, Brüder gestorben?

00:26:45: Und das kann sich eben sehr schnell auch gegen ein Regime wenden, das unter Umständen in gutem Glauben versucht, aus einer militärisch eskalierten Situation herauszukommen.

00:26:57: Das heißt nicht, dass es nicht Friedensmöglichkeiten gibt.

00:27:01: Sie entstehen eben häufig weniger aus einer rationalen Einsicht, sondern aus dem Zwang, aus der Erschöpfung, aus der Ermatung, aus der Asymetrie, dass die eine Seite vielleicht eben doch noch länger aushält und man dann eben versucht, möglichst ungeschoren herauszukommen.

00:27:19: Aber das hat häufig weniger mit bewusster Intention zu tun, sondern eher einem langen Prozess, in dem sich bestimmte Optionen dann nicht mehr stellen.

00:27:30: Also wenn man weiß, dass man den Siegfrieden nicht mehr erlebt, dann blickt man vielleicht irgendwann auf die Möglichkeiten, die einem noch bleiben.

00:27:37: Irgendwann erkennen die Amerikaner in Vietnam, dass es den Frieden zu ihren ursprünglichen Konditionen nicht geben wird.

00:27:45: Und dann argumentiert Henry Kissinger als amerikanischer Verhandler und Außenminister, dann müssen wir wenigstens den ehrenvollen Abzug bekommen.

00:27:53: Aber auch für diesen ehrenvollen Abzug, den diesen Intervall, lässt er die Kriegsgewalt während der Verhandlungen mit den Nordwirt-Damesen noch mal maximal hochfahren, um dem Gegner zu zeigen, wir können immer noch auch ganz anders.

00:28:07: Und ich glaube, wir müssen uns an dieses Nebeneinander von unterschiedlichen Logiken, gerade in der Endphase von modernen Kriegen, eher gewöhnen.

00:28:15: Aber wir müssen eben auch genau hingucken und natürlich sagt das Ende der militärischen Auseinandersetzung überhaupt nichts darüber, ob der Frieden bei den Menschen ankommt, ob sie dem Frieden vertrauen oder ob sie vielleicht denken, naja, wir haben so schlimme Erfahrungen gemacht, dass uns vorkommt wie eine Unterbrechung eines Gewaltkontinuums und vielleicht dauert es Monate oder Jahre, bis Menschen dann wirklich das Gefühl haben, wir sind nicht mehr in einem Nachkrieg, der jederzeit wieder in einen Krieg zurückfallen kann, sondern es gibt vielleicht wirklich so was wie Frieden.

00:28:46: Die meisten Deutschen schreiben erst Das

00:29:12: stellt sich eben schon die Frage vielleicht auch mal.

00:29:15: Was ist denn Friede?

00:29:17: Was verstehen wir darunter?

00:29:18: Das ist ja viel mehr als die Abwesenheit von Krieg.

00:29:21: Ja, als Historiker würde ich erst mal damit beginnen, dass es diese Definition in dieser Form vielleicht gar nicht so ohne Weiteres gibt, weil sie sich auch in der Geschichte total verändert hat.

00:29:32: In der Antike gibt es Vorstellungen, dass der Frieden erst mal die Abwesenheit eskalierter militärischer Gewalt ist.

00:29:39: Und dann gibt es, könnte man sagen, in der europäischen Geschichte auch schon in der Antike beginnend eine permanente Aufwertung des Friedensbegriffs.

00:29:46: Also Augustinos in der Spätantike argumentiert, Frieden ist eigentlich eine Form der Gottesnähe.

00:29:53: Die Aufklärer argumentieren der Frieden muss vor allen Dingen ein Frieden sein, der mit der Mündigkeit von Menschen verbunden ist.

00:30:01: Frieden kann es nur dann geben, wenn die Kriege, die man als monarchische Kriege interpretiert, wenn die enden.

00:30:08: Und das bedeutet eben Mündigkeit, Teilhabe, Partizipation.

00:30:11: Und dann beginnt eine langfristige Aufwertung, deren Erben wir bis heute sind durch die Entwicklung des Völkerrechts, durch die Entwicklung von Internationalen Konventionen, nehmen Sie die Genfer-Konvention, die Entwicklung des Roten Kreuzes.

00:30:28: Und im zwanzigsten Jahrhundert, vor allen Dingen nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg wird das erweitert, um die Vorstellung, dass Frieden eigentlich nur dann funktionieren kann, wenn es Gerechtigkeit gibt.

00:30:39: Also eine Aufwertung mit Normen der Gerechtigkeit und der Sicherheit.

00:30:44: Das heißt mit Gerechtigkeit.

00:30:45: neu stärker im Vordergrund steht, dann geht es auch mehr um Schuldfragen, um Kriegsverbrechen, um Aufarbeitung, Reparationen, solche Fragen.

00:30:54: Genau.

00:30:55: Was wir sehen, ist diese permanente Wieder Aufwertung des Friedensbegriffs.

00:31:00: Bis hin zum internationalen Völkerstrafrecht, wo man dann argumentiert, Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn man den Opfern gerecht wird und wenn man die Täter verfolgt.

00:31:09: Das ist die Idee nach dem Ersten Weltkrieg und das wird im gewisser Weise dann umgesetzt in den Kriegsverbrecherprozessen von Nürnberg und Tokio und geht bis in die Gegenwart mit dem, was in den Haar passiert.

00:31:21: Das Grundproblem ist, dass wir Einerseits diese Aufwertung des Friedensbegriffes haben und das heißt eben auch, dass unsere Erwartungen an das, was ein guter Frieden leisten soll, sehr hoch sind.

00:31:32: Aber wie wir es vorhin im Gespräch gesehen haben, die Möglichkeiten einem klassischen Frieden zu schließen, mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit eigentlich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eher abgenommen haben.

00:31:43: Und diese Kluft zwischen Erwartungen an den Frieden und eher begrenzten Möglichkeiten, das mit dem völkerrechtlichen Instrumentarium heute noch zu schaffen, ist, glaube ich, ein signum der Gegenwart.

00:31:54: Weil wir heute viele Kriege haben, die eben keine klassischen Staatenkriege mehr sind, sondern die Bürgerkriege sind ethnische Gewalt oder neue Kriege, bei denen die Grenze zwischen Kriminalität, Terrorismus, ethnischer Gewalt, Religionskrieg, Stellvertreterkrieg eigentlich verwischen.

00:32:14: Wenn sie nach Syrien blicken, wenn sie in viele andere afrikanische Konfliktgebiete blicken, dann ist es eigentlich dieses Siegnum des neuen Krieges.

00:32:22: Und auf dieses Siegnum oder auf dieses Siegner des neuen Krieges passt das klassische Instrumentarium des europäisch entwickelten Völkerrechts nicht mehr.

00:32:30: Und ich glaube, diese Grundproblematik, die kennzeichnet ganz stark die Gegenwart und damit werden wird... tun haben, wenn es um ein Ende des Ukrainekrieges oder ein Ende von anderen Kriegen wie im Nahen Osten oder in Afrika geht.

00:32:43: Also in dieser ganzen komplexen Gemengelage um Krieg und Frieden der Unmöglichkeit ein Kriegsende zu prognostizieren.

00:32:52: Mit Sicherheit lässt sich da eigentlich nur eines festhalten.

00:32:55: Herr Leonhardt, es ist wesentlich einfacher, Kriege zu beginnen, als sie zu beenden.

00:33:00: Und im Umkehrschluss heißt das, um Leid zu verhindern, wäre es in jedem Fall immer die beste Option, alles zu tun, um einen Kriegsausbruch zu verhindern.

00:33:10: Absolut.

00:33:11: Und das kann man, glaube ich, auch in der Geschichte erkennen, als man damit beginnt zu sagen, die Aufgabe der Diplomatie besteht nicht nur darin, Kriege zu beenden, sondern... Besser wäre es, wenn sie proaktiv schon verhindert, dass es überhaupt zu Kriegen kommt.

00:33:29: im Grunde genommen genähert aus der Erfahrung des Zeitgenossen begriffen haben, wie schwere es ist, einen einmal ausgebrochenen Krieg, insbesondere dann, wenn er eben auch noch länger dauert, zu Ende zu bringen.

00:33:41: Und diese proaktive Funktion der Diplomatie hat ja große Bedeutung, weil sie eben auch, wenn man so will, die DNA des Völkerbundes und dann auch der Vereinten Nationen, der Schiedsgerichtsbarkeit, der Hager Friedenskonferenzen von war, aber wir sehen natürlich heute auch an wie vielen Stellen diese Hoffnung enttäuscht worden ist.

00:34:00: Und ich glaube, wir werden auch weiterhin mit dem Problem zu tun haben, Kriege zu verhindern, aber eben auch ausgebrochene Kriege, wo dieses Instrumentarium nicht erfolgreich war, zu beenden.

00:34:11: Und zwar so zu beenden, dass Menschen eben auch daran glauben, dass man dem Frieden vertrauen

00:34:15: kann.

00:34:18: Vielen Dank, Herr Leonhard.

00:34:20: Gerne.

00:34:22: Das war NZZ Geopolitik, das große Ganze verstehen.

00:34:27: Heute ein geschichtlicher Deep-Dive mit Historiker Jörn Leonhard zur Frage, wie enden Kriege und was braucht es, damit ein Friede auch hält.

00:34:37: Mein Name ist Marlin Ödler.

00:34:39: Macht's gut und bis bald.

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